Am 05.07.2022 beschäftigte sich die Gemeindevertretung in Ihrer Sitzung mit dem Rückbau der Oberstraße.
Laut Beschlussvorschlag des Gemeindevorstandes war die Genehmigung der Planung und der Kosten vorgesehen.
Allerdings hatte die Gemeindevertretung Zweifel, ob die im Vorfeld u.a. von den Radfahrbeauftragten der
Gemeinde und dem Radforum geäußerten Sicherheitsbedenken ausreichend gewürdigt wurden.
Bereits am 02. November 2021 hatte sich die Gemeindevertretung schon einmal mit der Thematik befasst und
hatte auch zu diesem Zeitpunkt die Zustimmung zu dem Bauprojekt verweigert. In ihrem einstimmigen Beschluss
legte die Gemeindevertretung fest: „Basierend auf den Ergebnissen dieser Sicherheitsbewertung ist zu
entscheiden, ob eine Änderung der vorliegenden Planung erfolgen muss. Somit kann erst nach Vorliegen
dieses Gutachten das Verfahren fortgeführt werden.“
Fast 8 Monate später wurde der Tagesordnungspunkt der Gemeindevertretung erneut, mit einer in den wesentlichen
Punkten unveränderter Planung, erneut vorgelegt. Gleichzeitig wurde eine schnelle Zustimmung der Gemeindevertretung
eingefordert, um die Fördermittel des Landes Hessen und des Landkreises Groß-Gerau nicht zu gefährden.
Mit den Sitzungsunterlagen wurde auch der Ergebnisbericht des Sicherheitsaudits vorgelegt, der allerdings Hinweise auf fehlende
Unterlagen und Zahlen und einige erhebliche Defizite der geplanten Lösung enthält. Anders als von der
Gemeindevertretung am 02. November 2021 gefordert, enthielt er auch keinen Variantenvergleich bezüglich der
Radwegführung.
Auf die besondere Verantwortung der Gemeindevertretung in Bezug auf die Sicherheit der Bürger wies der
CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Hensel angesichts der nicht beantworteten Fragen in seiner Stellungnahme hin.
„Auch wenn wir alle hoffen, dass in Abhängigkeit unserer Entscheidung nie schwere Unfälle passieren werden,
tue ich mich damit schwer den Veränderungen zuzustimmen, wenn ich mir nicht sicher bin, dass es keine
bessere Variante gegeben hätte und die neue Lösung wirklich sicherer ist als die bestehende. Auch wenn ich
mich mit Fördermitteln und nur einer „ganz oder gar nicht“-Option dazu erpresst sehe! Ich finde es unfair und mit
dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung unvereinbar, dass wir auf diese Weise Plänen die Absolution erteilen
sollen, unsere Bitte um entsprechende Informationen aber ignoriert wurde“, erläuterte er seine Beweggründe.
Verärgert zeigte er sich darüber, dass die von den Radfahrbeauftragten und dem Radforum geäußerten
Bedenken nicht angemessen eingegangen wurde. Gleichzeitig verwies er auf eine Vereinbarung,
die zwischen den in der Gemeindevertretung vertretenen Fraktionen, den Radfahrbeauftragten und dem Radforum
getroffen wurde: „Der Beschluss vom 02. November beruhte auch auf einer Abstimmung der in der Gemeindevertretung
vertretenen Fraktionen auf der einen Seite und den Radfahrbeauftragten und dem Radforum auf der anderen. Wir
haben versprochen, mindestens ernsthaft zu prüfen, ob andere Varianten nicht sicherer sind. Werden wir uns
Versprechen heute Abend hier brechen?“
Beispielhaft zählte er noch einige sicherheitsrelevante Fragestellungen auf. An der Bushaltestelle Feuerwehr
soll der Radverkehr, im Gegensatz zu früheren Planungen, die den Radweg hinter der Bushaltestelle vorsahen,
vorübergehend sich die Fahrbahn mit dem KFZ-Verkehr teilen. Die Auflösung des von Biebesheim kommenden
Zweirichtungsradwegs auf beidseitige Einrichtungsradwege soll noch vor dem Edeka erfolgen. Dadurch sind Querungen
des Radverkehrs in unmittelbarer Nähe des Ortseinganges und der Ausfahrt eines Verbrauchermarktes verbunden.
Der Radverkehr aus der Gerhard-Hauptmann-Straße soll die Oberstraße erst überqueren, ein kurzes Stück auf der
Gegenseite fahren, um dann die Straße erneut zu queren, um auf den Zweirichtungsradweg zu gelangen. „Wer denkt,
weil wir das uns so ausgedacht haben und das so aufpinseln wird der Großteil der Radfahrenden so fahren … den
halte ich für sehr naiv und praxisfremd“, schätzte Dirk Hensel die Lage ein. Zusätzlich merkte er dazu an,
„An den genannten Beispielen erkennt man, dass Fragen offen sind. Antworten dazu gibt es nur mündlich und/oder
über Dritte. Belastbare schriftliche Aussagen oder die direkte Kommunikation mit allen Beteiligten an einem Tisch
hat nicht stattgefunden.“
Um die Situation noch zu retten, stellte die CDU-Fraktion einen Änderungsantrag. Dieser gibt die finanziellen
Mittel für die Maßnahme frei. Gleichzeitig ermächtigt er den Gemeindevorstand die Planung freizugeben, sofern
es gelingt die Sicherheitsbedenken auszuräumen. Hierzu sollen diese entweder in der Planung berücksichtigt oder
die Gründe, warum sie nicht umgesetzt werden können, dokumentiert werden. Der Arbeitskreis „Nahverkehrskonzept“
soll die Maßnahme weiter begleiten und ein Jahr nach einer erfolgten Umsetzung soll eine Nachbetrachtung mit
Optimierungen stattfinden.
Die Delegation des Vorgangs an den Gemeindevorstand hat den Vorteil, dass die Maßnahme dort zeitlich flexibler
als von der Gemeindevertretung bearbeitet werden kann. Der CDU-Fraktionsvorsitzende empfiehlt dem Gemeindevorstand
aber alle Beteiligte noch einmal an einen Tisch zu holen und so ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Sollte es
nicht möglich sein, die Sicherheitsbedenken auszuräumen, sollte man ggf. auch vorerst auf eine Umsetzung verzichten.
Nachdem der Antrag durch einen Ergänzungsantrag der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ noch detailliert wurde,
stimmte die Gemeindevertretung diesem Antrag mit den Stimmen von CDU und Grünen zu.
Das Sicherheitsaudit, durchgeführt durch die Hochschule Darmstadt, enthält auch deutliche Aussagen zur Sinnhaftigkeit
einer Querung im Bereich des Winterdeiches, zwar näher bei Stockstadt gelegen aber auf der Gemarkung der Gemeinde Biebesheim.
Zum einen könnte die Sicherheit von Fußgehenden und
Radfahrenden beim Queren erhöht und anderseits der Verkehr vor der Stockstädter Ortseinfahrt verlangsamt werden.
Nachdem Dirk Hensel auf die Bedeutung dieser Anbindung auch für Biebesheim hingewiesen hat, fordert er von den Biebesheimer
Entscheidungsträgern: „Ich fordere sie dazu auf, sich mit der Kombination dieser Sachverhalte im Sinne eines guten
nachbarschaftlichen Verhältnisses in angemessener Weise auseinanderzusetzen und ihren Anteil zur Verkehrssicherheit
der Biebesheimer und Stockstädter Bevölkerung sicherzustellen.“